Ohne Augen hört man besser

Text und Bild von Birthe am 13. Mai 2022

Es ist 20:30 Uhr. Ich sitze im Bett. Mein Mann ist beim Fussballtraining und ich allein mit den Kids Zuhause.

Viel Zeit für mich gab es heute nicht. Umso mehr genieß ich jetzt die Ruhe für mich. Ich brauche diese Zeit. Zeit in der es nur um meine Bedürfnisse geht.

Ich lausche. Höre etwas aus dem Kinderzimmer. Offensichtlich schläft unser Ältester doch noch nicht.

Ich gehe etwas genervt rüber und sehe schon vom Flur aus, dass er das Licht angemacht hat.

„Warum grade heute?“ frage ich mich.

Ich öffne die Tür und mein Blick wandert zielgerade auf den bemalten Tisch und den Boden.

„Warum hast du das gemacht? Du weißt doch ganz genau, dass du das nicht darfst!“ sprudelt es aus mir heraus. Die Frustration und Verurteilung in meiner Stimme sind nicht zu überhören.

Er schaut mich an, sieht den Stress in meinen Augen und den Ärger in meiner aufgebauten Haltung.

Er ist ruhig. Sitzt einfach da, auf dem Rande seines Bettes. Ich wende den Blick ab. Ab von dem entstandenen Chaos, ab von dem, was mich ärgert, hin zu meinem Kind und lausche erneut.

„Tut mir leid, Mama.“ Er flüstert fast. „Ich brauche dich.“

Er braucht mich. Versteckt war dieser Satz in den vielen Bitten um Wasser, Musik, Gebet und dem wiederholten Zudecken im Vorfeld. Versteckt in dem aus Frust und Sehnsucht bemalten Tisch. Erst hörbar als ich meine Augen schloss, um meine Bedürfnisse zu vergessen und anfing ihm zuzuhören.

Wie gut, dass ich weiß, dass Gott nicht so lange braucht, um unsere versteckten Bedürfnisse zu erkennen. Wie gut, dass er uns oft schon zwei Schritte voraus ist und er unser Herz liest wie ein offenes Buch. Gut, dass er uns besser kennt als wir uns selber. Gut, dass seine Ohren immer offen sind und er sich nicht ablenken lässt. Für ihn gibt es nichts wichtigeres als dein Leben.

Gut, dass ich als Mutter von IHM lernen darf und er mich wachsen lässt.  

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