Nur wer loslässt, wird gehalten
Nur wer loslässt, wird gehalten
Geschrieben von Danny am 30. Juli 2021
Nur wer loslässt, wird gehalten
Die Wolken zogen sich nach der langen Schwüle plötzlich zu und die Luft wurde drückend. Die drei Freunde überlegten schon, ob es eine gute Idee war, jetzt noch klettern zu gehen. Aber nun waren sie einmal die Stufen zu der ersten Plattform hoch gegangen und hatten sich Gurte und Helme angelegt. In der Sicherheitseinweisung wurde mehrfach betont, wie sicher sie sein würden. Aber das hörten sie kaum. Vor ihren Augen lag die Kante der ersten Plattform, hinter welcher es tief nach unten ging. Zu der nächsten Plattform führten nur ein paar wackelige Balken an Seilen, zwischen denen man sich lang hangeln musste. Und dahinter konnte man Kletterelemente erahnen, die noch schwankender und schwieriger waren. Würde die Kraft dafür reichen? Würden sie plötzlich Höhenangst kriegen und vor allen, die zusahen, dumm dastehen?
Da wurde es dunkler und die Wolken türmten sich über dem Kletterpark auf. Der eine fragte den Mitarbeiter des Kletterparks, ob sie bei drohendem Regen abbrechen müssten. Bald hoffte er, der Mitarbeiter würde ihnen die Wahl abnehmen, ob sie auf das wackelige Gerüst steigen sollten. Doch der Mann blieb sehr entspannt. Sie könnten auch getrost bei Regen klettern, müssten aber besser jetzt los, wenn sie es noch trocken schaffen wollten. Die Frage hatte somit das Gegenteil bewirkt. Alle drei kamen dem Kletterelement immer näher, während keiner zugeben wollte, dass er lieber umkehren würde. Mit dem Blick in die Tiefe kam unweigerlich die Vorstellung in einem auf, wie sie ausrutschten und fielen. Da fasste sich der Erste in der Reihe ein Herz und sagte laut, er schaffe das nicht. Die Augen der anderen verrieten ihm, dass sie dasselbe dachten. Aber eigentlich war ihnen das unangenehm. Da rief der Mitarbeiter ihnen von hinten zu:
„Tiefer als das Seil könnt ihr nicht fallen.“
Eigentlich war das jedem klar. Es war logisch, dass ihnen hier oben in Wirklichkeit nichts passieren konnte. Aber der Abgrund und die Vorstellung von einem Sturz hatten ihnen etwas anderes gesagt. Sie betrachteten alle noch einmal das dünne Drahtseil, das über ihnen lang lief. An dem Drahtseil hing ein Karabinerhaken, der sie über ein Seil mit ihrem Klettergurt verband. Und der saß fest und sicher. Sie machten sich erneut bewusst, dass es gar nicht darauf ankam, wie gut sie sich festhalten konnten. Im Zweifel würde das ja der Gurt übernehmen. Sie konnten sich eigentlich völlig frei auf den Elementen bewegen. Sie mussten nur ihrem Gurt vertrauen.
Da fielen die ersten Tropfen auf sie nieder und Wind kam auf. Beides war erfrischend und herausfordernd zugleich. Aber in ihnen war etwas geweckt. Die Furcht war aus ihren Augen gewichen. An ihre Stelle war ein neues Gefühl getreten, das sie nicht gleich einordnen konnten. Da hörten sie die Stimme des Mitarbeiters abermals:
„Wollt ihr zurück? Noch könnt ihr.“
Aber sie wollten nicht zurück. Sie wollten sich nicht fürchten. Sie wollten vertrauen. Der erste überwand das Kletterelement schließlich, wobei er sich fest an sein Sicherungsseil klammerte. Als der zweite sah, wie gut das ging, kletterte auch er hinüber, hielt sich dabei jedoch kaum fest. Der dritte aber wollte freihändig gehen, und auch das gelang.
Der Regen prasselte wie im Regenwald, doch anstatt sich in die Knie zwingen zu lassen, fühlten sie sich wie Abenteurer auf einer Expedition. In der Mitte der Strecke aber bekam der erste der drei Freunde Angst. Von hier war es nun genauso weit nach vorne wie zurück. Was, wenn die Kraft für keinen der beiden Wege mehr reichen würde? In seiner Vorstellung sah er sich bereits irgendwo in den Seilen hängen, unfähig einen Fuß vor den andere zu setzen. Die anderen sahen ihm seinen Unmut an und klopften ihm auf die Schulter. Krampfhaft klammerte er sich wieder an das Sicherungsseil. Dadurch hatte er aber keine Hand so richtig für das Kletterelement frei. Wackelig trat er einen Schritt vor, verlor das Gleichgewicht und fiel.
Er erwartete einen harten Aufprall, kniff die Augen zusammen und war dann überrascht, als er mit plötzlichem Ruck zum Stehen kam. Erstaunt öffnete er seine Augen. Der Mitarbeiter hatte Recht gehabt. Seil und Gurt hatten gehalten.
So nah an der Plattform, zogen die Freunde ihn mühelos wieder hinauf. Seine Tour musste hier nicht enden. Er war nicht kraftlos geworden, noch hing er in den Seilen. Ein Fehltritt war kein Problem. Nur die Angst davor stand ihm im Weg. Jetzt dachte er nicht mehr daran. Denn er wusste, er war sicher. Und im Notfall konnte er sich auf seine Freunde verlassen. Das letzte Element überquerte auch er freihändig.
„Denn ich bin der HERR, dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir!“ (Jesaja 41,13)